Sehnsüchte des Lebens – die Gegenwart
Verlangen und Hoffnung
Lisy ist eine bodenständige Frau im mittleren Alter. Sie steht mitten im Leben mit ihren zwei Kindern und ihrem Mann. In ihrem Beruf, als Innenarchitektin, geht sie richtig auf! Kurz, es könnte nicht besser gehen.
Bei einem neuen Auftrag trifft sie auf den Mann ihrer Kundin. Ab da verändert sich ihr Leben. Dieser gutaussehende Mann verfolgt sie bis in ihre Träume. Ihre Gefühle schwanken hin und her dadurch stellt sie fest, dass doch nicht alles so perfekt ist, wie es scheint.
Wird sie zulassen, dass diese aufkeimende Sehnsucht sie verführt?
Stefan ist ein gestandener erfolgreicher Anwalt nur privat sieht es ganz anders aus. Er befindet sich in einer festgefahrenen Ehe als er auf Lisy trifft. Sie fasziniert ihn, er fühlt sich von ihr magisch angezogen. Die Situation ist alles andere als einfach, aber er will es nicht unversucht lassen.
Wären nicht diese Dämonen aus seiner Vergangenheit! Er will endlich damit abschließen und ein neues Leben beginnen. Fast hätte er es geschafft! Da kommt ein Wink des Schicksals um die Ecke, dass alles ins Rollen bringt, was nicht nur für sein Leben Konsequenzen haben wird.
Ein kleiner Vorgeschmack aus Kapitel 1
Lisy (November 2021)
Es ist Ende November und obwohl es noch Herbst ist, fühlt es sich an diesem Morgen wie Winter an, die Temperaturen sind um den Gefrierpunkt, ich kann die Kälte schon spüren, obwohl ich mich noch unter meiner Decke im Bett befinde. Ich kann mit geschlossenen Fenstern nicht schlafen, deshalb, egal, ob Sommer oder Winter, das Fenster ist nachtsüber immer auf.
Der Wecker läutet, sechs Uhr, es ist Zeit aufzustehen, einfach zu früh für mich, eine Stunde mehr wäre perfekt, aber ich zwinge mich trotzdem aus dem Bett, ein neuer Tag beginnt und ich möchte ihn nicht unnötig vertrödeln …
Ich habe immer den gleichen Ablauf und schon eine kleine Veränderung bringt mich durcheinander. Der Mensch und seine Gewohnheiten, immer diese Suche nach Sicherheit und Beständigkeit, da sind sie wieder, fest verankert und alltäglich wiederkehrend.
Mein Mann und ich teilen uns das Bad, wir haben zwei Waschbecken und zwei Spiegel, perfekt, wir kommen uns nicht in die Quere und können schon langsam den Tag planen und uns darauf einstimmen. Wir müssen immer schmunzeln, wenn wir uns das erste Mal am Tag unterm grellen Licht des Badezimmers ins Gesicht schauen, ich habe den Eindruck, es wird jedes Mal schlimmer! Die Haare stehen wirr, die Augen noch voll Schlaf und der Gang sagt alles über deine momentane körperliche Verfassung, sagenhaft! Zum Glück ist dies nur ein Augenblick, denn nach Zwanzig Minuten fühlt man sich wieder (halb) frisch und munter (wo ist mein Kaffee?!). Liebe Leute, altern ist unmenschlich!
Ich mag es, wenn das Haus gerade erwacht, draußen ist es noch dunkel, die ersten Lichter werden angemacht, die Kaffeemaschine brummt schon und begrüßt mich mit ihrem lächelnden ‚Hallo‘, meine Stimmung hebt sich augenblicklich. Aus dem Radio ertönen die bekannten Lieder und da fange ich an mitzusingen. Ich bin kein Morgenmuffel, im Gegenteil, ich würde sagen, ich begrüße den Tag, denn ich hasse die Nacht, schlafen ist für mich reine Verschwendung! Ich bin also in neunundneunzig Prozent der Fälle beim Aufstehen gut gelaunt und so ist es auch an diesem Morgen!
Auch da muss ich mich an meinen Plan halten, damit alles reibungslos von der Hand geht und ich pünktlich aus dem Haus gehen kann. Sechs Uhr fünfundvierzig, die Kinder sind jetzt dran! Obwohl meine Jungs (vierzehn und sechszehn) Wecker haben, muss ich sie immer noch morgens wecken. Es macht mir aber nichts aus, ich liebe es, sie mit einem „Good Morning!“ aus dem Schlaf zu holen. Meine Kinder sind definitiv nicht wie ich, sie sind Morgenmuffel durch und durch. Ich muss ein zweites Mal nachhaken, bis ich ein leises“Hmmm!“höre, dann bin ich sicher, dass sie meine Anwesenheit bemerkt haben. Sie haben auch ihren festen Ablauf morgens, da mische ich mich lieber nicht ein, denn die Katastrophe wäre sonst vorprogrammiert! Ich sehe nur, wie sie wie kleine Roboter aus dem Bett kriechen und sich langsam Richtung Bad bemühen. Geschafft!
Ich höre kurz meinen Mann rufen, dass er zur Arbeit fahren will, und eile herunter, um ihn noch zu verabschieden. Dies ist ein Ritual bei uns, egal für wie lange und wann einer von uns die Tür passiert, man könnte sagen, ich bin abergläubig, und ja, ich würde hier vielleicht sogar zustimmen, obwohl ich sonst daran keine Gedanken verschwende. Ich bin eigentlich ein realistischer, bodenständiger Mensch mit einer guten Portion Verrücktheit. So würde ich mich beschreiben. Sind wir nicht alle ein bisschen …? Sie wissen schon …! So bin ich einfach, diese Seite gehört zu mir und macht mich aus, ich gehe stets positiv durchs Leben und genieße diese immer wiederkehrende Unbeschwertheit, diese ‚quardeur de folie‘, wie die Franzosen sagen würden!
Nun bin ich auch so weit und flitze, nicht ohne meine Kinder ein letztes Mal in Augenschein genommen zu haben, aus dem Haus. Die Dunkelheit und die Kälte packen mich wieder. Es ist schon einiges los auf den Straßen, ich habe gehört, November ist der Monat, in dem die meisten Leute Auto fahren. Den Eindruck habe ich auch und frage mich, wie lange ich heute zur Arbeit brauchen werde … Trotz allem genieße ich diese Zeit, allein im Auto, ich kann meine Gedanken laufen lassen, den Tag organisieren und den Morgen nochmal Revue passieren lassen. Das Radio ist auch hier an und lullt mich mit seiner Musik ein, es spielt nur im Hintergrund, nur so viel, dass ich es wahrnehme, aber es meinen Gedankenlauf nicht unterbricht. Ich habe meinen Kaffeebecher dabei und freue mich bei jeder roten Ampel, daraus schlürfen zu können, die lebendige Flüssigkeit breitet eine Wärme in mir aus und ich merke, wie ich dabei immer wacher werde. Morgens auf den Straßen trifft man meistens auf zwei von Kategorien Menschen: Die Schnecken, die sich partout nicht vom Platz zu bewegen scheinen und stur ihre fünfzig Kilometer pro Stunde halten, obwohl es schon längst das Siebzig-Kilometer-pro-Stunde-Schild gab, und dann die Hasen, die es nicht abwarten können auf der Arbeit anzukommen, wie sie ankommen, ist ihnen anscheinend egal, denn sie nehmen alle Risiken auf sich. Ich fühle mich weder von der einen noch von der anderen Kategorie zugehörig, ich würde sagen, ich befinde mich genau in der Mitte, denn ich bin nicht übermütig: ‚Hallo, ich achte auf mein Leben!‘ (auf das von den anderen mit inbegriffen), bin aber auch nicht zu vorsichtig, die Schnecken machen mich eher rasend. An diesem Morgen bin ich leider einer Schnecke ausgeliefert, ich kann sie leider nicht überholen, da die Straßen voll sind. Ich sehe die Minuten verstreichen, es brodelt in mir, meine gute Laune droht zu kippen, ich werde zum Tier. Hat er kein Gas-Pedal?! Soll ich ihn etwa anschubsen, damit er Antrieb bekommt …? Oh Mann, ich komme zu spät zur Arbeit! So ist es jeden Morgen, wie Roulette spielen, man weiß nie, was einen erwartet. Somit bin ich jeden Tag voller Hoffnung, es könnte heute besser werden als gestern …
Bei diesem Tempo bleibt mir nur eins, damit ich nicht fix und fertig ankomme, abschalten! So bemerke ich nun, wie manche schon ihre Häuser dekoriert haben, ich muss sogar hin und wieder lachen, wenn ich sehe, wie kitschig es manchmal aussieht. Der Kampf der Lichter hat angefangen, die Konkurrenz ist groß! Die Geschäfte machen schon auf und die ersten Menschen holen sich frische Brötchen für den Tag. Ich erspähe hier und da eine alte Dame hinter den Gardinen, wie einsam mag sie sein? Wenn sie schon so früh am Morgen sich die Zeit mit Beobachten der Autos vertreibt. Nicht selten bekomme ich für einen Moment einen kleinen Eindruck von dem Leben der Leute, wie sie eingerichtet sind vor allem. Ich würde mich nicht als Voyeur bezeichnen, aber ein kleiner Blick in das Leben anderer, ihnen einen winzigen Moment stibitzen, eine kleine Gefühlsregung zu erspüren, finde ich faszinierend und aufregend zugleich.
Es ist halb acht, der Sender meldet die Nachrichten, ich höre kurz zu, ich weiß schon was kommt, Fallzahlen gehen drastisch nach oben! Verrückte Zeit! Seit gut zwei Jahren leben wir mit gedrückter ‚Pause‘-Taste, jeder hält den Atem an und wartet, ob nicht irgendwann die Nachricht kommt, die uns unsere Freiheit wiedergibt. Aber sie kommt nicht, auch heute nicht … Die Pandemie hat uns fest im Griff. Es ist seltsam, ich kann mich kaum noch erinnern, wie es ‚vorher‘ war, vor dem siebzehnten März zweitausendzwanzig, vor dem ersten Lockdown! Wie leicht das Leben war, wie unbeschwert. Es wird einem erst bewusst, wenn die Leichtigkeit nicht mehr da ist. Obwohl ich eigentlich kein Party-Mensch bin und ich meine Freunde an einer Hand abzählen kann, macht mir diese Zeit langsam zu schaffen. Ich fühle den ständigen Druck auf den Schultern, dieses Damokles-Schwert, wie ich es gern nenne. Dabei immer der Gedanke, wann wird es mich treffen? Nun heißt es, wir müssen, einmal mehr, alle Kontakte einschränken. Ich seufze laut vor mich hin, wir wollten doch dieses Silvester mit Freunden feiern, macht uns Corona wieder einen Strich durch die Rechnung? Früher war das Wort Pandemie ein Fremdwort, keiner von uns konnte sich vorstellen, was so ein Ausbruch mit sich bringen würde. Im Mittelalter war eine Pandemie gang und gäbe, sie waren auch von großem Ausmaß, aber noch lange nicht wie heute, wo jeder verreist. Es ist heute unaufhaltsam, früher hat man die betroffene Stadt niedergebrannt, das war es. Heute kann man nur an den Verstand jedes Einzelnen appellieren. Sind wir mittendrin oder erst am Anfang? Das weiß keiner. Dabei denke ich immer an die Kinder, sie werden es nicht leicht haben in so einer Gesellschaft. Das soziale Leben wird erschwert.
Das alles kommt mir in den Sinn, während ich zur Arbeit fahre. Schnell parke ich vor dem Gebäude, wo sich mein Büro befindet. Ich freue mich, meine Kollegen zu sehen, der Tag kann beginnen!
Ich liebe meine Arbeit! Echt, sie macht mir richtig Spaß! Ich arbeite als Innenarchitektin in der Stadt Düsseldorf. Es ist viel zu tun, denn diese Branche boomt richtig! Da die Menschen nicht mehr verreisen können, wie sie wollen, fangen sie an, über ihr Zuhause nachzudenken, und viele bitten um Unterstützung bei der Renovierung ihres Heimes. Das Beste daran, finde ich, ist die Vielseitigkeit, die diese Arbeit mit sich bringt, zudem kann ich meiner Kreativität freien Lauf lassen. Der Kundenkontakt ist auch nicht zu verachten, ich liebe es, direkt mit Kunden zu kommunizieren, der Austausch ist mir wichtig, man lernt dabei so viel! Jeder Tag ist anders, denn jede Situation ist anders und bringt hin und wieder auch Anekdoten mit sich. Es entstehen auch manchmal peinliche Situationen …
Nun, heute Vormittag haben meine Kollegin und ich einen Termin in der Innenstadt, bei einer Dame, die kurz vor Weihnachten eröffnen möchte. Da die komplette Inneneinrichtung noch fehlt, braucht sie Unterstützung. Es ist kein üblicher Laden, die Dame verkauft Steine, ja, richtig, Steine! Fossilien und Kristalle aller Art. Sie hat aus ihrer Passion ihren Beruf gemacht, sie gibt auch Seminare und vermittelt dadurch ihr Wissen darüber. Ich hatte bis jetzt nur telefonisch mit ihr Kontakt, denn in der jetzigen Situation und der täglich verschlechterten Lage dürfen wir vorerst nicht direkt zum Kunden. Erst wenn wir den Auftrag haben, dann gilt die Regel auf beiden Seiten zwei G+, also genesen oder geimpft, zudem getestet, damit jeder von uns sich frei bewegen kann. Es ist zwar umständlich und die Kunden sind manchmal genervt davon, haben aber meistens Verständnis. Ein Besuchstermin kann bis zu drei Stunden dauern, je nachdem, was vor Ort noch zu tun ist. Denn, sollte der Kunde die Maße seines Objekts nicht haben, müssen wir alles vermessen.
Zum Glück hat diese Dame uns schon die Daten zugeschickt sowie ein paar Fotos. Der Laden ist ziemlich klein, aber geräumig. Man kann daraus viel machen, es wird ein interessantes Projekt, ich freue mich schon darauf!
Der Termin ist um zehn Uhr, deshalb fahren wir schon um neun Uhr los. Es gibt nichts Schlimmeres, als zu spät einzutreffen. Ich lasse mir den Weg vom Navigationssystem zeigen, ich möchte kein Risiko eingehen. Meine Kollegin plappert wie immer fröhlich vor sich hin und erzählt, wie spannend ihr Leben ist, sie scheint mit ihrem jetzigen Freund glücklich zu sein! Ich mag sie, sie ist immer gut gelaunt, hat einen tollen Humor. Wir verstehen uns prächtig, nicht nur auf der Arbeit. Wir lachen viel über die Geschehnisse unseres Alltags, wir gehen regelmäßig zusammen aus, mit ihr kann ich über alles sprechen, sie ist eine gute Zuhörerin.
Endlich sind wir da, was für eine Fahrt! Wir parken im Parkhaus um die Ecke, anders ist es in dieser Stadt nicht möglich, einen Platz zu finden. Auf dem Weg zur Boutique schauen wir uns die Umgebung an, die Schaufenster anderer, nehmen die nahe gelegener Läden in Augenschein, um einen Eindruck der Gegend zu gewinnen und um unsere Idee abzurunden, denn der Laden soll hervorstechen, pfiffig sein. Schließlich sollen sich die Kunden in den Räumlichkeiten wohlfühlen. Frau Schmitt erwartet uns bereits am Eingang. Sie ist klein, elegant, hat ein sehr freundliches Wesen, ich würde sie auf Mitte fünfzig schätzen. Nach einer kurzen Begrüßung und dem üblichen Zeigen unseres Sanitärpasses sowie Tests führt sie uns durchs Geschäft. Sie erzählt uns gleichzeitig, was sie sich vorstellt. Was wir noch nicht wussten, ist, dass sie ganz hinten, hinter einem Vorhang, noch ein Zimmer hat, wo sie gern ihr Atelier einrichten sowie Seminare beziehungsweise Vorlesungen geben möchte. Wir schauen uns alles ganz genau an und fangen an, in Gedanken Pläne zu skizzieren. Emilie, meine Kollegin, hat schon ihren Block herausgeholt. Sie fängt mit dem Nachmessen an. Wir haben immer den gleichen Vorgang, irgendwann habe ich einen Fragebogen erstellt, den wir immer dabei haben. Damit fangen wir generell an, es sind allgemeine Fragen wie ‚Was sind Ihre Lieblingsfarben? Welche Materialien und Stoffe bevorzugen Sie?‘.
Nach zwei Stunden sind wir fertig und haben eine Menge Input im Gepäck. Es wird am Ende fantastisch aussehen!
Unser nächster Termin ist um vierzehn Uhr, so haben wir noch etwas Zeit einen Lunch zu uns zu nehmen, bevor wir uns im Chaos der Straßen wiederfinden. Beim Mittagessen gehen wir noch unsere Notizen kurz durch und ergänzen hier und da, was uns noch einfällt. Im Auto angekommen, holt Emilie schon die nächste Mappe heraus und fängt an vorzulesen, was wir an Informationen über das nächste Objekt haben. Es befindet sich in Meerbusch in der Luxusgegend, wie ich sie nenne. Es handelt sich um ein Privathaus, dreihundert Quadratmeter groß. Frau van der Falk hat uns kontaktiert, auf Empfehlung einer ihrer Freundinnen, für die wir vor zwei Jahren gearbeitet haben. Ich finde das immer sehr befriedigend, es gibt mir das gute Gefühl, dass ich doch das Richtige tue und die Menschen glücklich mache. Jedenfalls, als wir in die angegebene Straße einbiegen, sind wir geflasht von der Architektur der Häuser. Ein Haus schöner als das andere, sie glänzen um die Wette. Wir sind voller Bewunderung!
Da sehe ich die Hausnummer … „Wow!“, sage ich begeistert. Sie haben bestimmt einen Gärtner, ist mein erster Gedanke. Das Paar möchte das Erdgeschoss neu gestalten, ich bin sehr gespannt auf das, was mich erwartet und Emilie rutscht schon total nervös auf ihrem Sitz hin und her.
Wir steigen aus dem Auto und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus, sie haben sich was einfallen lassen, es ist sehr schön, gepflegt, hat Stil, nicht übertrieben. Eine Mischung aus Moderne und Romantik, großartig! An der Tür angelangt setzen wir unsere Masken auf, kurz nochmal den Namen prüfen und schon setze ich den Finger an die Klingel. Eine schöne Melodie ertönt, gleich darauf geht die Tür auf und da steht…er!
Ich hatte gar nicht damit gerechnet, einen Mann zu treffen, der mich vom Hocker haut. Ich fühle mich überrumpelt. Ich gucke den Mann an, unsere Blicke treffen sich, mir wird plötzlich heiß, meine Hände werden feucht und ich spüre ein Kribbeln in der Bauchgegend … Oh Gott! Wann habe ich dieses Gefühl das letzte Mal empfunden? Es ist auf jeden Fall ewig her. Dieser Moment kommt mir wie eine Ewigkeit vor, ich bekomme nur kurz mit, wie Emilie anfängt, ihm zu erklären, wofür wir hier sind und dass wir mit Frau van der Falk einen Termin haben. Er dreht langsam den Kopf zu Emilie und scheint überrascht, anscheinend wusste er von dem Termin nichts. Endlich finde ich meine Stimme wieder und frage ihn, ob seine Frau da ist, sollten wir ungelegen kommen, würden wir selbstverständlich einen neuen Termin ausmachen.
„Keineswegs, die Damen!“ Er schaut mich dabei direkt an.
Er ist groß, ich würde ihn auf einen Meter neunzig schätzen, hat dunkle Haare und, oh mein Gott, so schöne grüne Augen! Ich könnte mich darin verlieren, ich muss mich kräftig ermahnen!
Was ist mit dir los? Du bist doch verheiratet. Er ist es offensichtlich auch, hör auf damit … Er bittet uns herein, dabei müssen wir an ihm vorbei, wir tragen immer noch unsere Masken.
Hmm, er riecht so gut … Es ist mir so peinlich, diese Gedanken zu haben, ich merke, wie mir die Röte ins Gesicht läuft und, was soll ich sagen, er merkt es. Er lächelt mich an! Oh weh! Ich kriege weiche Knie. Ich muss mich unbedingt zusammenreißen, so geht es nicht weiter.
Nächstes Jahr habe ich meinen fünfundzwanzigsten Hochzeitstag, fällt mir ein, ich halte mich daran fest, wie an einem Anker, und ringe nach Fassung.
Der Eingangsbereich des Hauses ist gigantisch, mittendrin befindet sich eine Treppe nach oben. Auf der linken Seite gelangt man zur Küche, er zeigt uns dort den Weg, wir folgen, ich bin damit beschäftigt meine Gedanken zu ordnen, so viele Eindrücke und sie sind nicht nur dem Haus geschuldet! Die Küche ist geräumig und steht offen zu einer fantastischen Essecke und einem imposanten Wohnzimmer. Da ist schon wieder diese Mischung aus Moderne, Romantik und jetzt kommt noch Antike hinzu. Ich würde daran nichts ändern wollen, es ist schon gut aufeinander abgestimmt und es sieht fantastisch aus! Ich bin kurz davor, meine Meinung zu äußern, als ich eine Bewegung an meiner Seite bemerke, er steht neben mir und beobachtet mich, sofort fühle ich mich wieder wie ein Schulmädchen, das gerade ihren Prinzen gefunden hat.
„Gefällt Ihnen, was Sie sehen?“, fragt er mich, seine Augen fixieren mich unentwegt.
Und ob! Ich öffne meinen Mund, aber es kommt nichts heraus, Emilie antwortet fröhlich, so wie sie immer ist: „Es sieht einfach fantastisch aus!“ Sie merkt gar nicht, wie verlegen ich gerade bin.
Er merkt es aber, nickt zufrieden und wendet sich von mir ab. Was für eine Idiotin bin ich denn.
Ein Räuspern lässt mich kurz zucken … Ich drehe mich um, da kommt sie, Frau van der Falk, wunderschön, blond, blaue Augen, wie aus einer Modezeitschrift entsprungen, nur ist mir irgendetwas an ihr unangenehm. Es läuft mir kalt über den Rücken. Sie schaut mich eiskalt an.
Oje! Es wird mit ihr nicht einfach sein. Sie begrüßt uns, ihre Stimme ist klar, stark, einen Tick zu hoch, würde ich behaupten. Sie funkelt ihren Mann an. Ich merke die Spannung zwischen den beiden. Er hält ihrem Blick stand, bis sie sich von ihm abwendet. Er verlässt den Raum und ich merke wie diese Verbindung, die sich komischerweise zwischen uns nach so kurzer Zeit gesetzt hatte, gekappt wird. Es fröstelt mich mir bleibt nur ein Gefühl des Unwohlseins, das ich schnell zur Seite zu schieben versuche. Ich habe einen Job hier zu erledigen, ermahne ich mich noch mal.
Emilie hat gar nichts bemerkt, sie ist so fasziniert von der Schönheit des Hauses, dass sie alles um sich herum gar nicht wahrnimmt, sie ist in ihrem Element, in ihrer Blase. Nun hat sie sich ebenfalls Frau van der Falk zugewandt und fängt an, ihr die üblichen Fragen zu stellen. Die Eigentümerin zeigt uns das Erdgeschoss und erklärt uns, wie sie es sich gern wünscht. Sie möchte alles modern gestalten, mag diese alten Möbel, wie sie sie bezeichnet, nicht mehr, es sind Erbstücke aus der Familie ihres Mannes, und für ihren Geschmack passen sie ganz und gar nicht ins Bild. Sie will es hell, am liebsten alles weiß, viel Metall, weiße Felle und Teppiche. Praktische Schränke beziehungsweise Sideboards in Hochglanz. Ich verstehe, was ihr vorschwebt, in welche Richtung sie gehen möchte, ich finde es nur sehr schade, dass das Haus dadurch an Gemütlichkeit und Geborgenheit verlieren wird.
Deshalb versuche ich, ihr das zu erklären, das passt ihr aber gar nicht. Sie meint, wenn ich mich nicht auf die Wünsche meiner Kunden einlassen kann, dann könnte ich direkt wieder die Tür nehmen. Zicke! Wer ist denn hier der Profi?!
„Elena, ich finde, Frau Anderson hat recht, warum hörst du nicht einfach auf diese Fachleute, sie haben viel mehr Erfahrung in dem Bereich als du, dafür hast du sie doch kommen lassen, oder nicht?“, mischt sich ihr Mann ein.
Er kommt gerade aus einem Raum in der hintersten Ecke des Hauses. Es kribbelt wieder in meinem Bauch und meine Nackenhaare stehen zu Berge, er stellt sich hinter mich, ich fühle wieder diese Verbindung, wie kann es denn sein? Ich meine, ich weiß, dass hin und wieder Menschen eine gewisse Anziehungskraft ausüben können, aber das hier entzieht sich komplett meinem Verständnis.